01.03.2024
Haushaltsrede Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER Ingolstadt Stadtrat Hans Stachel

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Hans Stachel der FREIEN WÄHLER (FW) zur Haushaltsdebatte am 29.02.2024 – es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,

Perikles, ein führender Staatsmann im antiken Athen, sagte einmal:

„Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf,
auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“

In diesem pragmatischen Satz steckt unsere politische Aufgabe. Deshalb soll die Aussage Perikles‘ die Überschrift zu meiner Haushaltsrede sein.
Unter immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen müssen wir die Zukunft Ingolstadts nicht nur voraussagen,

wir müssen vorbereitet sein.

Was heißt das konkret?

Wir müssen mit unseren finanziellen Mitteln sparsam umgehen, aber gleichzeitig dürfen wir zukunftsweisende und wichtige Investitionen nicht versäumen.
Für uns FREIE WÄHLER steht deshalb unumstößlich fest: Wenn wir für die Zukunft vorbereitet sein wollen, so gilt: Zuerst die Pflicht, dann die Kür.
Zuerst möchte ich Lob und Anerkennung aussprechen für die eingehaltene Zurückhaltung bei Personalaufwüchsen

Beim Blick in den Haushalt und damit in die Zukunft, werden Sie schnell merken:

Ingolstadt ist noch nicht für die Zukunft vorbereitet!

Wegen der, laut OB, strukturellen Unterfinanzierung unseres Verwaltungshaushaltes,
wurden vom Stadtrat erste Einsparungen gefordert.
Auf Dauer ist es nämlich nicht darstellbar, dass im VerwHH mehr Geld ausgegeben als eingenommen wird.
Die Einsparungen erfordern von allen Referaten, von allen Töchtern und Beteiligungen der Stadt erhebliche Anstrengungen,

um auch zukünftig einen ausgeglichenen VerwHH zu erzielen.
Der Schachzug mit der Übertragung aus dem VermHH wird nur ein-, zwei Jahre funktionieren –

dann müssen wir unsere Ausgaben besser im Griff haben.

Denn wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Auch wenn manche anderes behaupten.

Den glücklichen Ausgleichszahlungen der vergangenen Jahre folgen 2024 Steuernachzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe, für weit zurückliegende Jahre
Das sind willkommene Überraschungen,
diese dürfen uns aber nicht blind machen, für notwendige Korrekturen.

Denn, wie gesagt, wir haben ein strukturelles Problem.
 
Gerade deshalb sind wir gefordert, noch gewissenhafter zu planen,

um für die Zukunft vorbereitet zu sein!

Für uns FREIE WÄHLER heißt das:

Zuerst müssen die Pflichtaufgaben in einem Mindestmaß bewältigt werden

und dann erst dürfen wir die freiwilligen Leistungen erbringen und in den Pflichtbereichen die Standards erhöhen.

Auch der Einsatz unseres städtischen Personals ist mit Bedacht abzuwägen – denn auch hier gilt –
zuerst die Pflicht und dann die Kür!
Als lebhaftes Beispiel fällt mir dabei das Phantasieprojekt Audi- Kreisel – Entwurf „Inge“ ein.

Hier werden wertvolle Ressourcen verschwendet, die bei dringenden Projekten eingesetzt werden könnten.
Weitere Beispiele sind die teilweise massiven Kostensteigerungen bei Tochtergesellschaften und bei Beteiligungen.
Dazu der ÖPNV in Ingolstadt, der durch Angebotsausweitung und Kostensteigerungen enorm zur strukturellen finanziellen Schieflage der Stadt beiträgt.

Auch im Bereich Klinikum müssen Millionen eingespart werden, egal, ob mit oder ohne regionale Zusammenarbeit.

Apropos Sparen:
10 Mio. sollten für den VerwHH 2024 eingespart werden,
 
30 Mio. sollen es jeweils in den nächsten 3 Jahren sein – zusammen 100 Mio!

Nach der ersten Sparrunde habe ich leider erhebliche Zweifel. Warum?
Von 10 Mio. Einsparvorschlägen entpuppen sich einige als hinterfragenswert hinsichtlich der
Anrechenbar- und Sinnhaftigkeit:

-    3,980 Mio. Erstattung für Asylbewerberunterbringung

-    600 Tsd. Optimierung Bauunterhalt nur als pauschaler Ansatz,

das wird schwer messbar und müsste ständig gemacht werden

-    Die Streichung des reinen Bierfestes –
wurde richtigerweise bereits wieder zurückgenommen

-    Verzicht auf den Biotopradwandertag wegen 5 Tsd. Euro
-    Teilverschiebung der Aufforstung im Rahmen des 1 Mio.
Bäume Programms wegen 15 Tsd. Euro
aber gleichzeitig sollen Bushäuschendächer für ein Vielfaches an Geld begrünt werden, –

was für ein Unsinn.
-    138 Tsd. Kürzung bei Hochwasser- und Bevölkerungsschutz

-    20 Tsd. Streichung der überörtlichen Übertragung des Altstadtpanoramas
 
bei gleichzeitig krampfhaften Tourismusanstrengungen

Wenn ich sehe, wie holprig die 10 Mio. zusammengekommen sind, dann frage ich mich, wie sollen zukünftig 30 Mio. pro Jahr gespart werden?!
Hilfestellung könnte das „Ingolstädter Schwarzbuch“ liefern. Dort fänden sich so Dinge wie:
-Kostenexplosion beim MKKD
-leichtfertig beauftragte Honorarleistungen
-Druckerzeugnisse, die hauptsächlich für die Tonne produziert werden
-Klimakampagnenwerbung, die Geld verschlingt und die Stadt verschandelt

Den größeren Beitrag für eine gute Zukunft unserer Stadt leisten allerdings die Investitionen.

Es ist absolut richtig, in Schulen und in die Kinderbetreuung zu investieren.

Die Haushaltsrede ist ein guter Anlass, um auch auf wichtige Bereiche hinzuweisen,
die aus Sicht der FREIEN WÄHLER zu kurz kommen.

Da ist zu nennen: der Wohnungsbau und damit verbunden der soziale Wohnungsbau.

Noch gibt es viele Bauprojekte, die neuen Wohnraum schaffen.

Aber welche nennenswerten neuen Projekte wurden bzw. werden angestoßen?

Kommen neue GWG-Bauvorhaben?
 
Wo ist die Dynamik vergangener Jahre?

Aufgrund des Dilemmas auf dem Rietergelände ist dort in den nächsten Jahren mit keinen positiven Beiträgen zur Wohnraumsituation zu rechnen.
Sowohl Investoren als auch private Bauherren halten sich wegen schwieriger Rahmenbedingungen zurück,

dies verschärft die Situation am Mietmarkt.

Der eingeführte qualifizierte Mietspiegel leistet seinen Beitrag zu den Hemmnissen im Mietwohnungsbau.

Daher ist und bleibt der Wohnungsbau eine wichtige Aufgabe für unsere Stadt bzw. der GWG.

Wir müssen also in solche Projekte investieren, die uns einen dauerhaften Nutzen versprechen und gesellschaftliche Grundbedürfnisse erfüllen.
Im Bereich der Investitionen fehlen mir konkrete Sanierungsmaßnahmen, die uns den propagierten Klimazielen 2030 näherbringen.
Als FREIER WÄHLER lege ich besonderes Augenmerk auf die Unterstützung der Wirtschaft, der Wissenschaft und des Mittelstandes.

Jeden Euro, den wir dort investieren, erhalten wir mittel- und langfristig mit hoher Rendite zurück

und bildet die zukünftige Basis für unseren Sozialstaat und Wohlstand.

Wenn ich sehe, wie gering das Budget im Wirtschaftsreferat neben der,
 

in sich gegenfinanzierten IFG ist,
bezweifle ich, ob wir die richtigen Schwerpunkte setzen. Ein paar Beispiele dafür:
Wir tun uns schwer mit dem Handwerkerhof, sind zögerlich bei Gewerbeflächenausweisung,
kurzsichtig, ängstlich bei der Förderung der beruflichen Bildung oder bei Stiftungsprofessuren der KU und THI,

obwohl diese die Weiterentwicklung unseres Hochschul-, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes gewährleisten.

Der Wettbewerb um die besten Köpfe läuft und wir laufen Gefahr überholt zu werden.

Mehr machen, rechtzeitig richtige Schlüsse aus Statistiken ziehen, ist auch im Bereich der Heim- und Betreuungsangebote für Senioren erforderlich.
Die Entwicklung im Heilig-Geist-Spital ist aus Sicht der Stiftung vermutlich zufriedenstellend.

Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger bleibt unterm Strich eine Verknappung der Pflegeplätze.

Ein Pflegeangebot auf dem Rietergelände wird sich auch verzögern.

Stillstand bedeutet Rückschritt, denn der Bedarf steigt.

Schon heute werden Ingolstädter in Pflegeeinrichtungen in 40 km Entfernung betreut, weil in IN entsprechende Plätze fehlen.
 

Das ist traurige Realität.
Zusammengefasst darf ich für uns als FREIE WÄHLER festhalten:

Der Haushalt 2024 beinhaltet erste richtige Ansätze zur Kostendämpfung.

Damit sind wir allerdings noch nicht für die Zukunft vorbereitet.
Denn die mittelfristige Entwicklung ist nicht gelöst, sondern wird den Haushalt weiter belasten.

Bestehende Altlasten aus eingegangenen Großzügigkeiten zum Legislaturbeginn belasten jedes Jahr aufs Neue den städtischen Haushalt. (Kostenübernahme Klinikum Bez. Obb.)

Die angestrebten Sparmaßnahmen für den Haushalt 2024 blieben bereits hinter unseren Vorstellungen zurück.

Die jetzt vorgelegten Maßnahmen stellen für uns keine überzeugende Erreichung der geforderten Sparziele dar.
Eine Zustimmung zum Haushalt erteilen wir deshalb nicht.

Wir hoffen auf eine intensive Ausgaben- und Aufgabenkritik im Jahr 2024 für die Erreichung der 30 Mio. Sparziele der nächsten Jahre.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir als FW-Fraktion bewusst auf Anträge zur Streichung von Sparvorschlägen verzichtet haben, um die von der Stadtspitze und Verwaltung vorgelegten Sparmaßnahmen nicht zu torpedieren.
 
Um nun den Kreis zu Perikles zu schließen, stelle ich fest:
„Wir können in etwa voraussagen, wie die Zukunft in Ingolstadt aussehen wird, aber wir sind noch längst nicht darauf vorbereitet.“
Das ist unsere Herkulesaufgabe für die kommenden Monate und Jahre.


Zum Schluss herzlichen Dank an die allermeisten Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates und an Sie Herr Oberbürgermeister für die Zusammenarbeit im vergangenen Jahr,
auch bei manchmal unterschiedlicher Meinung.

Die menschliche Basis ist mir persönlich außerordentlich wichtig.

Ich danke den Bürgermeisterinnen, der Referentin und den Referenten, sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, der städt. Beteiligungen
und allen Medienvertretern für den regen Austausch, zum Wohl unser Heimatstadt Ingolstadt.
Ganz besonders danke ich auch wieder allen Ehrenamtlichen in Ingolstadt!

Ihr Beitrag ist so wichtig für unsere Stadtgesellschaft,
um auch für die Zukunft vorbereitet zu sein!