17.12.2021
Haushaltsrede 2021 zum Haushalt 2022 - Freie Wähler Ingolstadt von Hans Stachel

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Scharpf,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,

Optimismus – Pessimismus – Realismus

mein optimistischer Wunsch nach einem besseren 2021, den ich genau vor einem Jahr an gleicher Stelle geäußert habe, ist leider nicht in Erfüllung gegangen.

Als Gesellschaft haben wir es nicht geschafft, uns realistisch so vorzubereiten, dass die dramatische Entwicklung der vierten Corona Welle verhindert worden wäre.

Die Folgen in Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung, Kultur und Sozialem werden uns noch lange begleiten. Von den gesundheitlichen Folgen für die Erkrankten noch gar nicht gesprochen.

Wir waren alle optimistisch, - zu optimistisch, dass wir die Lage im Griff haben.

Und kaum waren die Herausforderungen der dritten Corona Welle überwunden, haben wir sehr schnell vergessen, was realistisch wirklich wichtig wäre, um uns auch zukünftig zu schützen.

Mit Leichtigkeit und Blauäugigkeit sind wir in Deutschland durch den Sommer und den Herbst mitten in die vierte Corona Welle geschlittert.

Kritische Stimmen wollte niemand hören, Realisten wurden zu Pessimisten degradiert und das Ergebnis müssen wir jetzt gerade schmerzhaft ausbaden.

Aber auch wir - und ich schließe mich nicht aus – waren zu optimistisch – wie beispielsweise bei der Beschlusslage Christkindlmarkt –  wir haben uns euphorisch hinreissen lassen…

Warum sage ich das?

Ich denke an der Coronapandemie kann man ganz gut ablesen, wie schwer es Fakten und rationales Denken im Wettbewerb mit Euphorie, Illusion und Wunschdenken haben.

Ganz besonders dann, wenn man etwas unbedingt haben will….

Das fängt schon bei kleinen Kindern an, bei Jugendlichen werden die Dimensionen größer und bei den Erwachsenen wird es häufig – trotz Lebenserfahrung - zu einem existenziellen Problem.

Wenn man mehr haben will, als man sich leisten kann, ist es dann nicht egoistisch und verantwortungslos?

Bei der Haushaltsfrage, ob wir zu wenig einnehmen oder zu viel ausgeben, gibt es unterschiedliche Meinungen – klar, solange man Geld durch eigene Kraft und gute Ideen erwirtschaftet, ist mehr Geld einnehmen in Ordnung, wenn man das Geld aber den Bürgern aus der Tasche zieht, um mehr ausgeben zu können, wird es bedenklich.

Über Steuererhöhungen wurde heuer schon mehrfach laut nachgedacht. Auch durch unseren frühzeitigen entschlossenen Widerstand jedoch nicht weiterverfolgt.

Ein Ingolstädter Journalist formulierte in den letzten Wochen einen Vergleich, der sehr treffend zeigt, dass wir ein realistisches Ausgabenproblem haben. Ich zitiere:

Wenn jemand 1,6 Meter groß ist und 90 Kilo wiegt: Hat der dann ein Problem mit der Größe oder seinem Gewicht?

Wenn jemand einen Porsche in der Garage stehen hat, dazu einen SUV, vielleicht noch ein Motorboot und ein Motorrad, und am Ende des Monats merkt, dass sein Gehalt etwas zu schmal ist für seinen Lebensstil.

Hat der dann ein Einnahmen- oder ein Ausgabenproblem?

 <https://www.ingolstadt-today.de/news/einnahmen-zu-niedrig-oder-ausgaben-zu-hoch-1124776>

Vermutlich kann man hier auch über die Einnahmesituation und die Körpergröße diskutieren – aber mal ganz ehrlich - ich und vermutlich die meisten Menschen würden sich Gedanken über eine Diät, kleinere oder weniger Autos - sprich weniger Luxus – machen.

Im übertragenen Sinn ist alles, was für uns nicht Pflichtaufgabe ist, realistisch zu überdenken, insbesondere dann, wenn die Projekte langfristig defizitär sind und bleiben.

Richtig problematisch wird es dann, wenn man bereits im Vorfeld einer weitreichenden Entscheidung alle möglichen Register zieht, um das Wunschziel zu erreichen.

Da werden Stadtrathearings zu Theateraufführungen inszeniert, Gremienentscheidungen so getaktet, dass zwischen der einzigen vorberatenden Sitzung und dem Beschluss keine 24 Stunden liegen.

Bereits bevor der Startschuss fällt, werden Kosten aufgerufen, die weit über den ursprünglichen Vorgaben liegen.

Und man sorgt dafür, dass es keine Alternativen gibt.

Weil man keine haben will.

Wir haben einen defekten Porsche und ein defektes Motorboot in der Garage – bei uns sind es Theater und Festsaal und stehen kurz vor dem Beschluss, noch ein Fahrzeug dazuzukaufen, anstatt die beiden anderen zu reparieren. Vor einem Jahr noch hieß es, wir brauchen Steuergeld - für Ersatzspielstätte incl. Werkstätten.

Heute brauchen wir schon mehr Steuergelder nur für die Kammerspiele - und die Werkstätten kommen noch dazu!

Und wir brauchen noch mehr Geld für die inzwischen zum 2. Theater mutierte Ersatzspielstätte- wegen noch nicht kalkulierbarer Umfeldkosten!

Und oben drauf kommen noch die Kosten für die Kollateralschäden!

Da brauchen wir wieder Geld für Umbau- und Ausgleichsmaßnahmen - die Forderungen vom BUND und der Antrag der Grünen Fraktion dazu liegen schon auf dem Tisch.

Aprospos Kollateralschäden…. beim Stadtratshearing  waren es noch 96 Parkplätze die in der Tiefgarage verloren gehen – inzwischen sind es schon 130 TG Stellplätze die uns in der Innenstadt abhanden kommen werden.

Und der Wert wird, ohne mit dem IFG Beirat abgestimmt zu sein, auf 17500€ pro Stellplatz beziffert - 200m weiter errichten wir Stellplätze für über 50.000 Euro je Platz!

Die Sanierung des Theaters verschieben wir noch weiter in die Zukunft - denn erst nach Fertigstellung der Kammerspiele soll die dann noch teurere Sanierung beginnen.

Der Haushalt der Stadt Ingolstadt soll ausgewogen zwischen den verschiedenen Aufgaben und Ressorts sein.

Wieviel wofür angemessen ist, da gehen die Meinungen auseinander.

Ich stelle jedenfalls fest, dass wir jahrelang sehr viele Mittel in Kulturprojekte stecken.

Diese sind sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt und Betrieb millionenschwer und belasten unseren Haushalt auf Dauer.

Neben dem Theaterbetrieb mit den anstehenden Sanierungen, dem geplanten Bau der Kammerspiele, dem neuen Kultur Rathaus, dem Museum für konkrete Kunst und Design aber auch beim Georgischen Kammerorchesters, leisten wir uns verhältnismäßig hohe Ausgaben und wenn ich in die Kasse schaue, sehe ich in Kürze – Nichts mehr –    gar nichts!

d.h. wir bezahlen dies zukünftig auf Pump.

Die Betriebskostenzuschüsse in unseren Tochtergesellschaften steigen und pendeln sich auf deutlich erhöhtem Niveau ein.

Die Personalausgaben steigen 2022 zum 2.Mal in Folge überdurchschnittlich an – und für die Folgejahre sind nur optimistische 4% angesetzt!

Das würde eine harte Stellenplandisziplin ab 2022 erfordern – darauf bin ich heute schon gespannt.

Die Verschuldung in 2023 kommt planmäßig und geht dann mit großen Schritten weiter.

Es liegt an uns, mit welcher Geschwindigkeit die Verschuldung ansteigt.

Zins und Tilgung werden unsere Handlungsfähigkeit in zunehmendem Maße beschränken.

Und die Aussichten sind ja nicht gerade rosig!

Oder doch? Welche Freude!

Die Schlüsselzuweisungen fallen um 2,2 Mio. höher aus – schade nur, dass mit der Korrektur der Sitzungsunterlagen gleichzeitig 2,68 Mio. für Baukostensteigerungen IFG Kongresszentrum ausgewiesen werden – wie gewonnen so zerronnen.

Auch die Perspektive bei den Einnahmen der für uns wesentlichen Gewerbesteuer ist unterdurchschnittlich und wird uns auf absehbare Zeit wenig Luft zum Atmen lassen, – denn der Transformationsprozess in der Automobilindustrie wird gelingen, davon bin ich überzeugt – aber die hohen Investitionen werden das Gewerbesteueraufkommen bei uns massiv belasten.

Umso wichtiger ist es, dass wir investieren – in Objekte und Projekte, die einen gesellschaftlichen und finanziellen Mehrwert generieren.

Wir müssen weg vom Wunschdenken und hin zu nüchterner und rationaler Betrachtung der Lage.

Wenn jetzt jemand sagt, die Finanzlage ist besser als 2020 erwartet, dann stimmt das – das liegt aber nicht an unserer sparsamen Ausgabenpolitik, sondern schlicht und ergreifend an glücklichen, hohen staatl. Zuwendungen wegen Corona.

Wenn es gut läuft, bekommen wir auch 2022 eine Unterstützung, aber unsere Hausaufgaben müssen wir trotzdem machen.

Und grenzenloser Optimismus ist genauso wenig angesagt wie übertriebener Pessimismus – aber für die Realität sollten wir doch wenigstens offen sein – und in der Realität zeigt der Haushaltsentwurf und die Mittelfristplanung ganz eindeutig, das Geld reicht hinten und vorne nicht für alle Projekte, die wir planen und in der Pipeline haben.

Und was machen wir?

Wir gründen einen Arbeitskreis und runden Tisch nach dem anderen – wir beschäftigen uns gegenseitig in der Verwaltung – und sind dabei auf der permanenten Suche nach der Nachhaltigkeit – hoffentlich auch bei unserem eigenen Handeln, denn der Konsolidierungsrat – brachte - fast nichts!

Jetzt ruhen all unsere Hoffnungen auf der geplanten Aufgabenkritik – da bin ich nur vorsichtig optimistisch, vermutlich realistisch.

Organisationsuntersuchungen - das lehrt uns die Vergangenheit, führten nicht selten dazu, dass statt Einsparungen mehr Personalbedarf entdeckt wird – es muss zu einer wirklichen Aufgabenkritik kommen, bei der auch mal Tätigkeiten entfallen.

Es liegt vor allem an den Zielen, die man auslobt, wenn man Organisationsuntersuchungen beauftragt.

Wir müssen Sparsamkeit als Ziel vorgeben.

Die Sparsamkeit im Verwaltungshaushalt alleine wird uns nicht retten – wir werden große Projekte streichen, verschieben oder deutlich günstiger abwickeln müssen, weil wir Pflichtaufgaben wie Bau von Kindergärten, Schulen und Krankenhaus zu erfüllen haben.

Daher ist für uns, neben der Alltagspolitik und einigen weitreichenden Entscheidungen bei den Stadtwerken und dem Verkehrsverbund Region Ingolstadt, die wichtigste Aufgabe des kommenden Jahres – die Schuldenbremse zu suchen, zu finden und auch davon Gebrauch zu machen.

Wenn der Haushalt nur für das Jahr 2022 zu betrachten wäre und die Kammerspiele nicht enthalten wären – würden wir den Haushalt sicher mittragen – den Prognosen der Mittelfristplanung mit dem Beschreiten von stetiger städtischer Verschuldung können wir nicht zustimmen.

Deshalb lehnen wir den Haushalt 2022 ab.

Zum Schluss herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates für die wertschätzende Zusammenarbeit.

Der gleiche herzliche Dank geht auch an unsere Stadtspitze,
an Sie H. Oberbürgermeister Dr. Scharpf
und Sie beide, Frau Bürgermeisterin Dr. Deneke-Stoll und Frau Bürgermeisterin Kleine
sowie die Referentin und die Referenten.

Ein Dank auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, städt. Beteiligungen und allen Medienvertretern.

Ganz besonders danke ich den Ehrenamtlichen in Ingolstadt. Ihnen und uns allen wünsche ich frohe Weihnachten in der Hoffnung auf ein gutes, gesundes Neues Jahr 2022.

Es gilt das gesprochene Wort