11.04.2025
Haushaltsrede 2025

HAUSHALTSREDE

Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER Ingolstadt

Stadtrat Hans Stachel am 10. April 2025

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,

stellen Sie sich vor, Ingolstadt wäre ein Mensch. 

Ein Mensch, der sich über Jahre hinweg nicht um seine Gesundheit gekümmert und nun die Quittung erhalten hat.

Nach jahrelangem Feiern, großzügigen Investitionen und politischer Großzügigkeit sind die Finanzen unserer Stadt erschöpft und der Haushalt hat multiple Krankheitssymptome. 

Die ersten Besuche beim Hausarzt und beim Heilpraktiker haben leider nur kurzfristige Verbesserungen gebracht, notdürftiges Verpflastern reicht nun nicht mehr, denn 

 

Ingolstadt ist krank. Sehr krank!

Dabei waren die Anzeichen schon lange ersichtlich.

Letztes Jahr im September sind wir mit Blaulicht ins Krankenhaus eingeliefert worden. 

Die Notaufnahme war die erste Anlaufstelle, es folgte eine Haushaltssperre als Notversorgung. 

Nach gründlicher Untersuchung war die Diagnose gefunden.

Wir geben mehr aus als wir einnehmen.

Jetzt befindet sich Ingolstadt im Wettlauf mit der Zeit durch verschiedene medizinische Disziplinen. 

Es folgen stabilisierende Maßnahmen, Operationen, psychische Betreuung, wirksame Medikamente, und hoffentlich gutes Personal bei Stadträten und Verwaltung. 

Unser Ziel ist eine erfolgreiche Reha und eine langfristige Genesung, um danach wieder in einen normalen Alltag zurückzukehren.

Wir brauchen eine strenge Diät, um unsere Stadt wieder fit zu machen. Wir brauchen Ausgabendisziplin, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen.

Dieses Bild vor Augen soll uns allen zeigen, wo wir gerade sind und was uns bevorsteht.

So wie ein Patient ein Recht auf ehrliche und vollkommene Aufklärung über seinen Gesundheitszustand hat, so haben Sie, liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter, ein Recht auf unbeschönigte Wahrheiten über den Zustand unserer Stadt.

Es ist unsere Aufgabe als von Ihnen gewählte Politikerinnen und Politiker die Krankheiten der Stadt gemeinsam mit der Verwaltung zu diagnostizieren, sie vollständig und wahrheitsgemäß zu informieren, die Behandlungsmethoden zu ergründen und auch schmerzhafte und unpopuläre Therapien anzuwenden. 

Immer ein Ziel vor Augen: 

Zum Wohle unserer Stadt und der Ingolstädter.

Nicht nur für schöne und leichte Entscheidungen, sondern ganz besonders für schwere und verantwortungsvolle.

Dafür haben Sie uns gewählt!

So sehen wir FREIE WÄHLER unseren Auftrag, den sie uns bei der Wahl erteilt haben.

 

In den vergangenen Haushaltsreden habe ich mehrfach auf Gesundheitsrisiken in unserem Stadthaushalt hingewiesen – leider vergeblich.

  • Bereits 2021 sagte ich, dass alles, was nicht Pflichtaufgabe ist, realistisch überdacht werden muss und wir bezahlen künftig auf Pump
  • Und 2022 fragte ich:
  • Was passiert, wenn die Gewerbesteuern ausbleiben?
  • Ich forderte: Bevor wir über mehr Personal sprechen, müsse die Struktur- und Aufgabenplanung stimmen.

 

Jetzt, Jahre später, stehen wir vor genau diesen Herausforderungen und haben noch keine fertigen Antworten.

Fehlende Vorsorge, verlorene Zeit.

Jetzt aber zurück zur Diagnose und Therapie für unseren Patienten Ingolstadt.

Das Haushaltsvolumen von 1 Mrd. € ist eine Überforderung unserer Leistungsfähigkeit und muss ein Einzelereignis bleiben. 

Die Unterdeckung des VerwHH durch eine Infusion in Höhe von 110 Mio. € aus dem VermHH auszugleichen, ist ein einmaliges Schmerzmittel. 

Die zweite Infusion von 135,4 Mio. € Kredit ist sowas wie künstliche Ernährung, um den Organismus am Leben zu halten und die Chancen auf Genesung zu ermöglichen. 

Aber Vorsicht, es besteht Suchtgefahr! 

Die dauerhafte Abhängigkeit von immer neuen Krediten führt ins Verderben!

 

Zuerst ist die Behandlung unserer Psyche erforderlich.

Unser Mindset braucht einen neuen Blick auf das, was wirklich städtische Aufgaben sind. 

Die Unterscheidung von Pflicht und Kür erfordert konsequente Beachtung.

In den vergangenen Jahren haben wir chronisch alle möglichen Aufgaben und Angebote an verschiedene städtische Dienststellen gezogen.

Hauptamtliche leisten jetzt das, was früher auf ehrenamtlicher Ebene in Vereinen, Verbänden und Interessensgruppen geleistet wurde.

Hier braucht es eine klare Rückbesinnung und Stärkung der Angebote – außerhalb der städtischen Sphären. 

 

Unsere Organe, sprich Ämter und Referate, müssen entlastet werden. 

Neben der unerlässlichen Aufgabenkritik wird es allerdings auch einige operative Eingriffe erfordern. 

Denn ohne Personalabbau, Umstrukturierung 

– was ich schon 2024 deutlich angesprochen habe –  

wird es nicht funktionieren. 

Das Konsolidierungsprogramm II, in Verbindung mit der Personalentwicklung, wird schmerzhaft, aber unvermeidlich, wenn wir wieder eine dauerhafte Leistungsfähigkeit von Ingolstadt erreichen wollen.

Steigende Zins- und Personalkosten von bereits über 200 Mio. € /a sind enorme Belastungen, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen.

Deshalb wird die Entfernung auch von gutartigen Auswüchsen wie 

  • zu niedrigen Gebühren in vielen Bereichen,
  • zu hohen Zuschüssen im freiwilligen Bereich,
  • dem Bürgerhaushalt,
  • defizitären Angeboten im ÖPNV,
  • zu vielen Gremien und zu langen Entscheidungswegen
  • zu hohen Ausgaben im Kultur- und Sozialbereich 

unvermeidlich sein. 

Das Ziel: 30 Mio. € Ergebnisverbesserung pro Jahr. 

Das wird ein Kraftakt, um wieder auf die Beine zu kommen!

 

Auch die Chirurgen werden nochmals eingreifen müssen, um bereits bestehende Stadtratsbeschlüsse – gerade im Investitionsprogramm – zu korrigieren.

Denn im Skelett der Beschlüsse gibt es mehrere Fehlstellungen und Frakturen. 

Baukosten müssen durch Reduzierung des Bauumfangs und der Baustandards gesenkt werden – auch bei Schulen, Kitas, Kultur- und Verwaltungsbauten.

Dort kommt deutlich unsere unterschiedliche Sichtweise gegenüber manch anderen Parteien zum Ausdruck.

Wir brauchen eine strenge Diät, um unsere Stadt wieder zu gesunden. 

Wer mantraartig vom Totsparen spricht, hat den Sinn und die Notwendigkeit einer Gesundungsdiät noch immer nicht verstanden.

Die Spezialisten der Verwaltung und des Stadtrats müssen eingreifen, um falsche Investitionsentscheidungen zu korrigieren. 

Wir werden unser Leben umkrempeln, uns gesund ernähren, Sport treiben, dünner werden, um die Vitalität unserer Stadt wieder zu stärken.

Erst dann schlägt das Ingolstädter Herz wieder im richtigen Takt. 

Ungewöhnlich für die Therapie von Erkrankten ist der Aufenthalt in der Geburtsabteilung. 

Aber genau dort müssen wir als Stadt aufmerksam und engagiert bleiben. 

Die Wirtschaftsförderung, die Stärkung des Mittelstandes und des Hochschulstandorts, die Hilfe zur Selbsthilfe ist zugleich die Säuglings- und Kinderstation für unsere Zukunft.

Erst nach diesen vielen Maßnahmen ist an eine REHA in einigen Jahren zu denken. 

Dies erfordert Ausgabendisziplin, Geduld und Entschlossenheit.

Dafür stehe ich, dafür stehen die FREIEN WÄHLER.

Wir als FREIE WÄHLER sind Realpolitiker, pragmatisch, aber zielorientiert. 

Wir vertreten Klarheit durch Wahrheit für mündige Wähler. 

 

Trotz guter Ansätze und guter Verwaltungsvorschläge werden wir dem Haushalt, gerade wegen der Mittelfristplanung, nicht zustimmen

Wichtige Therapien werden nicht bzw. noch nicht umgesetzt. 

Zusätzlich bedarf es noch erheblicher Anpassungen städtischer Ziele und der dazugehörigen Finanzausstattung, denn auch für die Zeit nach 2028 müssen wir vorsorgen.

Wie schon mehrmals von uns bemängelt, ist unsere Stadt Ingolstadt immer noch irreführend unterwegs und setzt längst vom Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossene Ziele höchst unglaubwürdig um. 

Gleichzeitig sollen die Bürger auch weiterhin glauben, wir wären in Sachen Klimaneutralität auf stabilem Weg zum Ziel 2035. 

Da helfen aber noch so große bunte Plakate nichts, wenn man keine konkreten Maßnahmen und das dazugehörige Geld in der Kasse bzw. in der Planung hat. 

Anscheinend ist es sehr schwer sich ehrlich zu machen und Beschlüsse und Ziele realistisch anzupassen, bevor es chronisch wird.

Ein weiteres, schweres Leiden des Haushalts wurde zwar bereits 2024 diagnostiziert, die Einleitung der Behandlung ist aber beim vorgelegten Haushalt leider nicht zu erkennen. 

Wir haben die längst fällige Anpassung der Grundsteuer auch jetzt nicht im Haushalt 2025 finden können.

Die Verzögerung einer Behandlung einer Erkrankung führt zwangsläufig zu einer Verschlimmerung der Beschwerden, die dann eine noch härtere Behandlungsmethode oder eine viel längere Behandlungsdauer erfordern. 

Die wahltaktische Verweigerung oder Verzögerung einer notwendigen Therapie ist mit unserem Verständnis von Verantwortung für den Patienten Ingolstadt nicht weiter hinnehmbar. 

Unser OB-Kandidat Stefan König hat bereits im zurückliegenden OB Wahlkampf mehrfach notwendige, wenn auch unpopuläre Schritte angesprochen – denn Wahrheiten sind vor der Wahl zu kommunizieren – nicht danach.

Dazu noch eine in Aussicht gestellte städtische Kreditaufnahme von über 530 Mio. € bis 2028 widerspricht aus unserer Sicht der dauernden Leistungsfähigkeit von Ingolstadt.

Auch deshalb lehnen wir den Haushaltsentwurf ab.

 

Abschließend danke ich im Namen der FW-Fraktion:

  • Allen Engagierten im Ehrenamt
  • Den Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat
  • Den Bürgermeisterinnen, Referentinnen und Referenten
  • Der Verwaltung in Stadt und Beteiligungen
  • Den Medien für ihre Begleitung
  • Und Ihnen, Herr Neu-Oberbürgermeister Dr. Kern, für Ihren Mut, dieses Amt in einer schwierigen Zeit zu übernehmen.

Trotz unserer Haushaltsablehnung stehen wir für konstruktive Zusammenarbeit bereit – zum Wohl unserer Heimatstadt Ingolstadt.